„Farben Japans“ und wieso 40 Minuten Schlangestehen sich gelohnt haben

Utamaro, Hokusai, Hiroshige, Yoshitoshi oder Hasui – was für die einen klingen mag wie exotische Spezialitäten aus dem Sushi-Restaurant, sind für die anderen fünf Künstler-Größen aus der Welt des „ukiyo-e“.

In diese berühmten „Bilder der fließenden Welt”, farbenfrohe Holzschnitte aus drei Jahrhunderten, führt uns die diesjährige Jahresausstellung der Staatsbibliothek München. Ich (hallo, hier ist Andrea) habe als Japan-Liebhaberin einen Nachmittag lang reingeschnuppert und war begeistert. Seid gewarnt: das hier wird lang.

Schon der Aufgang zur Ausstellung ein Hingucker: die Haupttreppe zeigte sich passend wunderbar gestaltet mit dem wohl berühmtesten Werk Hokusais, „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“.

Insgesamt gab es in der Ausstellung rund 130 Originalexponate aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek, darunter aufwändig illustrierte Bücher, seltene Triptychen und Einblattdrucke. Ausgewählte Stücke präsentierten sich sogar als großformatige Bannerdrucke im Obergeschoß und glaubt mir, ich hätte zu gern einen davon als Wallscroll mit nach Hause genommen! Erklärungen zu den einzelnen Drucken waren ausführlich gegeben und ließen sich leicht zuordnen. Ich nutzte die Gelegenheit, mein Kunstwissen über ukiyo-e zu prüfen und den jeweiligen Maler zu erraten und tatsächlich war meine Quote gar nicht so schlecht.

Ein Aspekt, der mich besonders an den Portraits immer wieder aufs Neue fasziniert: Auf den schnellen Blick sehen sich die abgebildeten Personen stets ähnlich – nimmt man sich jedoch Zeit, die Gesichter genauer zu betrachten, so erkennt man immer wieder kleine Unterschiede. Nun ist ja auch jeder Mensch nicht gleich – Augen, Nase, Mund, Ohren, alles unterschiedlich. In einer reduzierten Malweise wie beim ukyio-e, die sich in der Darstellung der Gesichtszüge nur auf das wesentliche beschränkt, sind die Unterschiede jedoch nur kaum merklich angedeutet, eine Winzigkeit gekrümmtere Nase hier, ein etwas länglicheres Kinn da, aber bei genauem Hinsehen doch sehr sichtbar. Auch bleibt der Kunststil in den Grundzügen gleich – bevorzugte Posen, Portraits im Halbprofil (ganz selten einmal frontal), trotzdem hat jeder Maler seinen eigenen deutlich erkennbaren Stil eingebracht. Ich bin verzaubert, wie man mit einem Tuschepinsel und begrenzten Farben eine solche Vielfalt schaffen kann.

Großformatige Stellwände erklärten zudem Kunststil, Merkmale und Besonderheiten des ukyio-e näher und auch auf das Thema Manga wurde kurz eingegangen – ganz passend, denn der erste Manga stammt (theoretisch) aus der Feder (oder eher dem Tuschepinsel) des berühmten Hokusai – kulturwissenschaftlich gibt es darüber aber Kontroversen, das sei an dieser Stelle erwähnt. Auch eine Videovorführung gab es zu sehen, welche den Besuchern das Prinzip Holzschnitt und den Druck anschaulich erklärte, was für manchen überraschten Blicke gesorgt hat. Man würde nicht denken, das die so sauber gemalt wirkenden, farbenfrohen Kunstwerke gar keine Malereien sind, sondern durch raffiniert geschnittene und platzierte Holzplatten mit Farbauftrag produzierte Drucke – daher haben diese nämlich ihren Namen: Farbholzschnitt.

Zum Höhepunkt der Ausstellung kam man dann nach einiger Wartezeit (für mich und meinen Partner waren es 40 Minuten, die sich aber gelohnt haben) – nämlich zu den oben erwähnten Originalexponate in den Schatzkammern, zu denen stets nur eine abgezählte Anzahl Leute Zutritt erhielt. Verständlicherweise, muss man sagen – der Platz in den Kammern war recht begrenzt, aber hat sich gelohnt, es war ein Fest für die Augen. Originale zu sehen, deren Alter bzw. Datierung man auf den entsprechenden Informationskärtchen ablesen kann und deren Farben Jahrhunderte später immer noch leuchten, war einfach beeindruckend. Für mich ein ganz besonderes Kunsterlebnis.

Mein Lieblingsbilder? „Segelboote am Morgen“ von Yoshida Hiroshi (dieses Bild seht ihr über diesem Textblock links). „Umegawa“ von Tsunetomi Kitano (Bild ganz oben rechts, die Dame mit dem blauen Schleier). „Ichikawa Sumizo als Gunpachi“ von Natori Shunsen (das ist der Herr oben mittig auf dem Bild, eine im ukiyo-e seltene Frontalansicht). Und natürlich – und dieses Bild beeindruckt mich mit seiner unglaublichen Detailfülle und seinen wunderbaren Blautönen jedesmal – „Toyooka, Kiyono und Hanano aus [dem Etablissement] Okamotoya“ von Utagawa Kunyoshi. Besonders die Werke der Utagawa-Schule gehören sowieso zu meinen Favoriten… Aber damit würde ich jetzt ausschweifen und dieser Eintrag fände gar kein Ende mehr 🙂

Leider konnte ich u.a. den Ausstellungskatalog nicht mehr ergattern, von dem auch im Buchhandel nur noch ganz wenige Exemplare erhältlich sind, ich nehme es jedoch mit Humor – mein Bücherregal daheim wartet bereits mit einigen Bänden über die Welt des ukiyo-e auf, so dass ich mit Sicherheit sämtliche im Katalog besprochenen Werke über diverse Bücher verteilt sowieso schon zuhause habe. 🙂

Übrigens gab es die Möglichkeit, an einer Druckstraße den Farbholzschnitt-Druck selbst auszuprobieren, aufgrund des Andranges kam ich jedoch leider nicht dazu. Schade.

„Farben Japans – Holzschnitte aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek” war zu sehen von März bis Juli 2025 in der BSB München.

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