Von der Faszination der Zwecklosigkeit – Franz Gsellmanns Weltmaschine

1990 bin ich erstmals auf den Schriftsteller Gert Hofmann (1931 – 1993) gestoßen. Meine Deutschlehrerin, die Frau des Schriftstellers Gerhard Köpf, hatte mir für die mündliche Deutschprüfung ans Herz gelegt, dass ich über den damals in Erding lebenden Autor einen Vortrag halte. Und als ich dann 1996 ein Thema für meine Magisterarbeit in Neuer Deutscher Literatur suchte, entschied ich mich, meine Abschlussarbeit über Gert Hofmanns 50 seitige Erzählung „Die Weltmaschine“ zu schreiben. So einfach wie ich es gehofft hatte ließ mich mein Germanistik Professor allerdings nicht davon kommen. Eine Magisterarbeit allein auf einer fünfzigseitigen Erzählung aufzubauen, erschien ihm nicht wissenschaftlich genug. Also musste das Thema nochmals mit weiteren Aspekten unterfüttert werden. Und so kam es, dass ich mich nicht nur durch alle Werke Gert Hofmanns las, sondern auch noch durch mehrere Werke von Thomas Bernhard sowie durch Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Außerdem durch zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel. Denn Literatur über Gert Hofmanns „Weltmaschine“ gab es abgesehen von Zeitungsartikeln und von einem Sammelband über den Autor nicht.

Was mich damals allerdings am meisten faszinierte, war die reale Vorlage von Gert Hofmanns Erzählung – die durch den Landwirt Franz Gsellmann (1919 – 1981) in der Scheune seines in der Steiermark gelegenen Hofes erbaute Weltmaschine. Gsellmann baute 23 Jahre an der Maschine, die ersten Jahre im Geheimen, und stellte die Weltmaschine wenige Wochen vor seinem Tod fertig. Und noch heute kann man die „Kunstinstallation in Form einer zweckfreien Maschine“, wie es Wikipedia ausdrückt, bewundern.

Der Kleinbauer Franz Gsellmann war fasziniert vom Atomium in Brüssel, als er es 1958 in einer Regionalzeitung entdeckte, und reiste dort hin, was ihn zum Bau seiner Weltmaschine inspirierte. Eine Miniatur des Atomiums ist Teil der Maschine. Auch mich faszinierte schon als Kind das Atomium, als ich es auf alten Schwarzweißfotos meiner Eltern entdeckte. Und so reiste ich während meines Studiums nach Brüssel, um das Atomium zu sehen. Ein bisschen enttäuscht war ich allerdings, als ich mich auf den Rolltreppen durch das Innere des Atomiums bewegte. Irgendwie war es nicht so spektakulär, wie ich es mir aus der Ferne vorgestellt hatte.

Ein paar Jahre später – im Sommer 2011 – machte ich mich auf den Weg in die Steiermark, um die Weltmaschine, die ich bis dahin nur von Fotos kannte, endlich in Aktion zu sehen.

Auch wenn ich mir die Weltmaschine anders vorgestellt hatte: es war beeindruckend, dass die aus tausenden von Teilen bestehende Maschine auch 30 Jahre nach ihrer Fertigstellung funktionierte. Lichter leuchteten, Glöckchen und Pfeifen erklangen, die eingebauten Räder und Ventilatoren drehten sich – und auch heute ist die Weltmaschine noch funktionsfähig. Wenn mal ein Teil kaputt ist, so wird es ersetzt.

Als ich damals für meine Magisterarbeit recherchierte, bin ich in der Bibliothek auch auf den Katalog der Münchner Jean Tinguely Ausstellung (1985/1986) gestoßen. In dem Katalog wird die Weltmaschine explizit erwähnt. Und so führte mich die Faszination der Weltmaschine zur Faszination gegenüber den Werken Tinguellys. Die Kunstwerke von Tinguelly sehen ein bisschen aus wie ein Teil der Weltmaschine. Auch sie sind zweckfreie, aber funktionierende Maschinen. Und auch wenn ich die Münchener Tinguelly Ausstellung damals nicht besucht habe, habe ich heute das Plakat in meiner Wohnung hängen, das meine Schwester von der Ausstellung mitgebracht hatte.

Ein paar Jahre später hatte ich dann endlich die Gelegenheit, das Tinguely Museum in Basel zu besuchen, als ich im Auftrag meiner Firma in Basel eine Schulung halten sollte. Und irgendwann werde ich mir den Tarot-Garten bei Garavicchio ansehen, den Niki de Saint Phalle gemeinsam mit ihrem Mann Tinguelly entworfen hat, denn auch der fasziniert mich sehr. Bisher kenne ich ihn nur durch einen Film über den Bau des Gartens.

Letzte Woche habe ich in meinem Keller übrigens zufällig das Plakat entdeckt, auf dem Franz Gsellmann vor der Weltmaschine abgebildet ist.

Falls ihr neugierig geworden seid, findet Ihr hier den Link zur Webseite der Weltmaschine https://weltmaschine.at/. Und wenn ihr die Maschine in Aktion sehen wollt, dann schaut euch z.B. dieses Video auf YouTube an. Vielleicht seid ihr ja auch beindruckt von dieser zwecklosen aber funktionierenden Maschine und wollt euren nächsten Urlaub in der Steiermark verbringen.

Lasst es euch gut gehen.

Eure Esther


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